Dank Latein lernte ich Deutsch. Nach der rätoromanischen Primarschule war der deutschsprachige Unterricht am Gymnasium mit sechs Stunden Latein pro Woche eine harte Nuss. Die präzisen grammatikalischen Formen der lateinischen Sprache zwangen uns, bei der Übersetzung ins Deutsche nicht nur das richtige Wort, sondern auch richtige Form und Zeit zu finden. Die strengen Regeln der Grammatik und Syntax fordern Disziplin und Genauigkeit. Latein lehrt uns, unsere Gedanken in klare Sätze zu giessen, das ist das wichtigste Ziel des Gymnasiums. Unterschiede wie: "Themistocles quod somnum capere non potuit, noctu ambulabat" bzw. ".. noctu ambulavit" gibt es in dieser prägnanten Form nicht im Deutschen. Cicero sagt von sich selbst: "ut ipse ad meam utilitatem ... cum Graecis Latina coniunxi" (de divinatione 2.4) und übungshalber übersetzte er griechische Reden in die lateinische Sprache "in dicendi exercitatione feci" (de optimo genere oratorum). Ich hoffe sehr, dass man dem Lateinunterricht Beachtung schenken wird. Meinerseits bin ich froh Latein und Griechisch gelernt zu haben und beide Sprachen auch sechzig Jahre nach der Matura pflegen zu können.
Guido Condrau
Mustair Interessengruppe, Zollikon

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